CELLE. Was als Idee beim heimischen Kamin-Gespräch begann, feierte am Sonntag im Celler Kreistagssaal sein 20-jähriges Bestehen: die „Jazzgeschichten“ mit Wolfgang Heidenreich. Sein Konzept, dem Publikum eine Mischung aus Informationen zu einem jazzspezifischen Thema und Live-Musik zu präsentieren, fand großen Anklang und ist mittlerweile bei Jazz-Liebhabern als alljährliches Ereignis mit Ausrufezeichen im Terminkalender eingetragen. Für den musikalischen Teil waren Wolfgang Heidenreichs Band „Blues Serenaders“ zuständig und diese ernteten während und nach ihren gespielten Stücken großen Applaus.

Heidenreich sprach zunächst der „Neuen Celler Jazzinitiative“ seinen Dank aus, die auch diesmal wieder alles bestens organisiert hatte. Deren stellvertretender Vorsitzender Mirko Galitz spielt zusammen mit Heidenreich im „Jazz-Trio Celle“ und nennt seinen Trompete spielenden Musiker-Kollegen bewundernd das „Jazz-Lexikon“ Celles. Von seinen fundierten Kenntnissen konnten sich die Zuschauer dann auch selbst überzeugen sowie von der charmanten und humorvollen Art, sein Wissen zu vermitteln.

Thema des Jazz-Frühschoppens war Bill Coleman (1904 bis 1981), ein US-amerikanischer Swing-Trompeter, dessen Name nie so bekannt geworden ist wie der einiger seiner Jazz-Begleiter, mit denen er im Laufe seiner langen Karriere zusammengespielt hat. Unter anderem stand er auf der Bühne und nahm Platten auf mit Größen wie Lester Young, Coleman Hawkins, Count Basie oder Ben Webster.

Bill Coleman wuchs in einer 450-Seelen-Gemeinde in Kentucky auf. Musik war allgegenwärtig in dem Dorf und viele der Erwachsenen spielten Instrumente, so auch sein Vater und zwei seiner Onkel. Musiziert wurde bei jeder sich bietenden Gelegenheit, bleibenden Eindruck hinterließen bei dem jungen Bill aber besonders die Artisten und Musikanten in Clownskostümen der durch die Lande ziehenden Zirkusse bei ihren Gastspielen in seinem Dorf. Obwohl nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs 1865 verfassungsgemäß die Bürgerrechte für alle, unabhängig von der Hautfarbe, gelten sollten, sah die Realität oft anders aus. Colemans Jugend- und Kindheitserinnerungen waren geprägt von teils drastischen Ereignissen, unter anderem wurden er und seine Freunde von einem weißen Farmer mit Schrot beschossen, um sie „tanzen“ zu lassen. Die Ungleichbehandlung war auch letzten Endes ausschlaggebend, dass er die USA verließ, um in Europa sein Glück als Profimusiker zu versuchen und sich nach dem Zweiten Weltkrieg endgültig in Frankreich niederzulassen.

Die „Blues Serenaders“ spielten Stücke, die einen starken Bezug zu Colemans Musiker-Karriere aufwiesen. Mit viel Gefühl und großer Spielkunst gab es für die Hörer viel Neues zu entdecken, aber auch „all-time Jazz-Classics“ wie der Welt-Hit „Caravan“ sorgten für Begeisterung. Nach der Pause sang sich die Cellerin Svénja Diocles direkt mit ihrem ersten Lied „Bei Mir Bist Du Schön“ in die Herzen des Publikums und sorgte auch mit ihrer Kunst für ein rundum gelungenes Konzert-Erlebnis.

 

Bericht: Cellesche Zeitung vom 24.01.2024