Celle. Freunde der „Jazzgeschichten“ wissen genau, was sie von dieser Veranstaltung erwarten dürfen: Lebensläufe, Hintergründe und Anekdoten von Größen aus der Musikwelt – ausgegraben und aufbereitet von Wolfgang Heidenreich – und das stets unter einem speziellen Thema. Die Jazzgeschichten sind im Programm der Neuen Jazzinitiative Celle schon lange eine feste Größe. In der Matinee am vergangenen Sonntag standen diesmal die „Frauen im Jazz“ im Fokus. Eine Zeitreise durch rund ein Jahrhundert mit zahlreichen Stopps – ergänzt mit Swing und Blues live von den Blues Serenaders.
Das Thema schien in diesem Jahr besonders viele Besucher zu interessieren. Der Celler Kreistagssaal war beinahe bis zum letzten Platz besetzt. Entgegen dem ersten Musiktitel „That Ain’t Right“ von Nat King Cole: Hier waren Jazzfans ganz richtig – und durften zwei sehr informative und unterhaltsame Stunden genießen. Ein Streifzug durch Frauen-Geschichten aus der Jazzära von rund einem Jahrhundert – von Lil Hardin-Armstrong bis Barbara Dennerlein, von Sängerinnen und Instrumentalistinnen, von Solistinnen und Frauenbands …
Wenn nicht am Rednerpult, stand Wolfgang Heidenreich als Trompeter neben seinen Söhnen Klaus Heidenreich (Posaune) und Hermann Heidenreich (Schlagzeug) sowie Claus Cordemann (Saxofon/Klarinette), Heinrich Römisch (Bass) und Rainer Haase (Klavier) auf der Bühne.
Nach der Pause vervollständigte Svenja Diocles als charmante Sängerin die Blues Seranaders und sorgte für Highlights, etwa mit „Thanks for the Memory“ (der ursprüngliche Filmsong wurde auch von Mildred Bailey – ein Name auf der Liste von Jazzinterpretinnen – gesungen) oder „Love me or leave me“ – ein verbales Meisterstück (was Tempo und Modulation angeht).
Klassiker der Swing-Ära auf der Setlist, wie einige Songs von Duke Ellington („Do Nothing till You Hear from Me“ – Ella Fitzgerald und Billie Holiday) oder Benny Goodman („Don’t Be That Way“) stellten die Verbindung zu bekannten Sängerinnen her – wie Mildred Bailey. Obwohl Bailey teilweise indianische Wurzeln hatte, galt sie als erste nicht-schwarze Sängerin, die im Jazz Anerkennung fand und als erste Band-Sängerin in der Geschichte des Jazz fest zu den Stammsolisten ihres jeweiligen Orchesters gehörte.
Auch die Bluessängerin Bessie Smith stand auf der Liste. Sie war vorwiegend in den 1920er Jahren – auch mit Auftritten in Varietés und Tanztheatern – aktiv, spielte mehr als 150 Schallplatten ein und galt als „Kaiserin des Blues“.
Oder Lillian „Lil“ Hardin Armstrong: Die Jazz-Pianistin und -Komponistin und gilt als eine der wichtigsten Personen in der Entwicklung des frühen Jazz. Als Afroamerikanerin damals eine Rarität hatte sie Musik an der Fisk University in Nashville studiert. In Olivers Creole Jazz Band lernte sie Louis Armstrong kennen, den sie 1924 heiratete. Hardin schrieb Songs und spielte Klavier für die legendäre Studio-Band, das Hot-Five-Ensemble.
Mary Lou Williams war Jazzmusikerin (Pianistin, Komponistin und Arrangeurin) und gilt als eine der wichtigsten Wegbereiterinnen der geschlechtlichen Gleichberechtigung im Jazz. Ein Wunderkind – mit vier hatte sie sich autodidaktisch das Klavierspielen beigebracht. Ab 1936 schrieb sie Kompositionen und Arrangements für die Benny Goodman, trat ab 1946 in mehreren Frauenbands auf, komponierte später liturgische Stücke und trat 1978 im Weißen Haus auf, war Dozentin und bekam sechs Ehrendoktorhüte zuerkannt …
Insgesamt ein gelungener Mix aus beeindruckenden Lebensgeschichten und gute Musik.
Bericht Cellesche Zeitung vom 11. Februar 2025